Dresden: Wo Faschisten mit der bürgerlichen Mitte…

Soziales Engagement in der rechten Szene

Dass (Neo-) Nazis ihren Sinn für Soziales entdecken, gerade wenn wieder einmal Imagepflege notwendig ist, ist nicht neu. Besonders in Mecklenburg-Vorpommern inszeniert sich die NPD als Kümmerer, richtet eine „Volksbücherei“ ein, veranstaltet Kinderfeste und bemüht sich im Rahmen ihrer Kampagne „Deutsche helfen Deutschen“ um Hilfe für in ihrem rassistischen Verständnis deutsche Bedürftige. In Anlehnung an das NS-Winterhilfswerk fährt Der III. Weg mit seiner „Winterhilfe“ eine ähnliche Kampagne. Die neuen Soldiers of Odin wie auch die AfD verteilen öffentlichkeitswirksam Spenden an soziale Vereine – die in beiden Fällen aus naheliegenden Gründen zurückgewiesen wurden. Ähnlich verfuhr ein Kinderhospiz mit der Spende des Neonazis Tommy Frenck.

Auch das ist rechte Ideologie: Ermordung „unwerten“ Lebens

Das ist auch richtig so. Rechte Ideologie bedeutet in letzter Konsequenz die Internierung, Vertreibung und Ermordung großer Teile unserer Gesellschaft, soziales Engagement ist Teil einer Strategie zur Normalisierung dieser menschenverachtenden Ideologie. Rechte Akteure auszugrenzen und ihre gefährliche Ideologie zu bekämpfen sollte daher oberstes Ziel der aktiven Zivilgesellschaft sein.

An einem aktuellen Beispiel aus Dresden soll gezeigt werden, wie weit wir uns inzwischen von diesem Ziel entfernt haben.

 

Rechte Imagepflege mit der Dresdner Obdachlosenhilfe

Während NPD, Der III. Weg und Die Rechte mit ihrem sozialen Engagement weitgehend isoliert bleiben, hat sich in Dresden mit dem Dresdner Bürger helfen Dresdner Obdachlosen und Bedürftigen e.V. ein aus dem Pegida-Umfeld stammender Verein mühelos in die Stadtgesellschaft integrieren können, ohne auf nennenswerten Widerstand zu stoßen. Offenbar besetzte der Verein eine Lücke, die trotz vorhandenen Engagements, beispielsweise der Dresdner Tafel und der Heilsarmee, besteht. Öffentlichkeitswirksam wurden bereits zwei große Weihnachtsessen für jeweils mehrere Hundert Bedürftige veranstaltet, zudem unterhält der Verein eine Begegnungsstätte, verteilt Sachspenden und warme Mahlzeiten. Diese werden an alle Bedürftigen verteilt – außer Asylbewerber und Geflüchtete. Beteiligt sind NPD-Sympathisant*innen, lokale FDP-Politiker*innen, AfD und viele weitere Akteure, auf die hier näher eingegangen werden soll.

 

Vereinsmitglieder

Den Posten des 1. Vorsitzenden besetzt der Angestellte Ingolf Knajder. Dass es ihm mit dem Engagement für alle Bedürftigen nicht ernst sein kann, zeigt eine Äußerung, die er bezüglich des Leiters der Dresdner Tafel tätigte:

„Solchen Menschen wünsche ich den baldigen Tod und nichts anderes.“

Diese Äußerung brachte dem Pegidisten ein Gerichtsverfahren ein, das ihm untersagte, seine Worte zu wiederholen. Ähnlich drastisch äußerte er sich über Muslime, Linke, die gegen Pegida demonstrieren, selbst über die frühere Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz. Berührungsängste zu Neonazis wie der NPD-Jugend JN zeigt er keine.

Knajder hat kein Problem, Posts der NPD-Jugend zu teilen.

Am 26. März 2016 wünschte Knajder den Mitgliedern der zum Verein gehörenden Facebook-Gruppe: „Frohe Ostern“. Angehängt war ein Bild mit der Aufschrift:

„Jedes Asylheim ist ein Verbrechen gegen unsere Obdachlosen!“

Auch in weiteren Äußerungen zeigt sich, dass der 1. Vorsitzende des Bedürftigenvereins eine rechtsextreme, gewaltverherrlichende Ideologie vertritt und auch kein Problem hat, diese öffentlich zu äußern. Seine Hauptfeinde: Muslime, Geflüchtete und Linke.

Auch der 2. Vorsitzende Uwe Riedel trägt seine gewaltverherrlichende, rassistische und vor allem islamfeindliche Ideologie nach außen.

Als Reaktion auf Anschläge in Ägypten veröffentlichte Riedel am 9.4.2017 diesen Post.

Wie Knajdner bezieht sich auch der Bauunternehmer Riedel positiv auf die NPD. Er geht aber noch einen Schritt weiter und fordert explizit zum Systemsturz und zum Hängen von Politikern auf.

Am 28.11.2016 teilt Riedel ein Video der NPD: „Für Volk und Heimat“ – und gegen Geflüchtete.

 

15.11.2016: Riedel fordert zum Sturz des Systems und Aufhängen von Politikern auf.

 

Andere Vereinsmitglieder stehen den beiden Vorsitzenden in nichts nach. Auch der Dresdner FDP-Stadtrat Jens Genschmar und die Chefin eines Autohauses Heike Kühn-Hanisch zeigen keine Scheu vor Nazis und teilen auf Facebook Nazi-Propaganda.

2016: Kühn-Hanisch teilt ein Video, in dem die verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck rechtsextreme Verschwörungstheorien verbreitet. Der Beitrag wurde inzwischen gelöscht.

Besonderes Augenmerk sollte auf das Vereinsmitglied Barbara Lässig gerichtet werden. Als ehemalige FDP-Stadträtin unterhält sie zahlreiche Kontakte zu Akteuren der Dresdner Stadtgesellschaft und nutzt diese auch zur Etablierung des rechten Obdachlosenvereins. Beispielsweise dürfte ihre Bekanntschaft mit der Großunternehmerin Viola Klein dazu geführt haben, dass diese den Verein zwischenzeitlich unterstützt hat, wenn auch nicht als Mitglied. Lässig fuhr Anfang des Jahres eine öffentlichkeitswirksame Schmutzkampagne gegen den Chef der Dresdner Tafel.

 

Imagepflege für Rechtsextreme

Angesichts der politischen Verortung vieler, wenn nicht sogar aller Vereinsmitglieder verwundert es kaum, wenn der Verein weitere Akteure aus dem extrem rechten Spektrum anzieht. Unterstützung, etwa von der AfD, wird zentral vermarktet.

Kurz vor Weihnachten macht die AfD auf sozial.

 

Der Besuch des völkischen Richters Jens Maier wird professionell in Szene gesetzt.

Auch als der von Rechtsextremen geführte Verein „Ein Prozent für unser Land“ eine Feldküche spendierte, wurde damit keineswegs hinterm Berg gehalten. Im Gegenteil, man betonte lang und breit, wie sozial „Ein Prozent“ doch sei. Kurz darauf veröffentlichten die Rechtsextremen zwei professionelle Imagefilme für den Obdachlosenverein.

Mitarbeiter bei „Ein Prozent“, v.l.n.r.: Julian Monaco (ehem. JN-Bundesvize), Michael Schäfer (ehem. JN-Bundesvorstand), Jean-Pascal Hohm (JA, AfD, Praktikant bei „Ein Prozent“), Philip Stein (Chef vom Jungeuropa Verlag & „Ein Prozent“). Screenshot: „Die Rechte Wende“, 3sat

 

Screenshot aus einem der Imagefilme, in dem die von „Ein Prozent“ gesponserte Feldküche beworben wird. Explizit dankt Knajder den Rechtsextremen für ihre Unterstützung.

 

In der Stadtgesellschaft etabliert

Trotz seiner offensichtlich flüchtlingsfeindlichen Agenda, trotz der öffentlich sichtbaren Zusammenarbeit mit Rechtsextremen und trotz der politisch rechtsextremen Ausrichtung seiner Mitglieder wird der Verein von der Stadtgesellschaft weitgehend angenommen und unterstützt. Das soziale Thema wirkt. Exemplarisch soll das an den Unterstützern des diesjährigen Weihnachtsessens dargelegt werden, das am 12.12.2017 veranstaltet wurde.

Das Event fand in der BallsportArena Dresden statt. Mahlzeiten serviert hat die Mannschaft des Handballclubs HC Elbflorenz. Für das Programm sorgten die Country- und Schlagersängerin Linda Feller sowie der Pegida-nahe DJ Happy Vibes, dessen Sendung bei Radio Dresden abgesetzt worden war. Der letztjährige Stargast Uwe Steimle hingegen zog seine Unterstützung zurück – wegen Knajders Vokabular, nicht wegen der politischen Ausrichtung des Vereins.

Hilft der extremen Rechten bei der Imagepflege: Country- und Schlagersängerin Linda Feller.

Mario Müller-Milano, Direktor des Dresdner Weihnachts-Circus, spendierte neben weiteren Einrichtungen auch dem flüchtlingsfeindlichen Obdachlosenverein 200 Freikarten.

Vergünstigte Tagestickets spendierten die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB).

Unterstützt werden die sozialen Rechtsextremen auch von den DVB.

 

Zum Umgang mit dem Verein

Immer wieder müssen wir feststellen, dass besonders in Dresden kaum Abgrenzung nach Rechtsaußen spürbar ist. Rechtsextreme, ob organisiert oder nicht, können sich beinahe ungehindert als Kümmerer inszenieren und erfahren dafür breite Unterstützung durch die Stadtgesellschaft. Eine endgültige Bewertung der sozialen Arbeit selbst soll hier nicht vorgenommen werden, nur so viel: Ein Fest pro Jahr und hin und wieder – möglicherweise sogar nur einmalig – verteilte Erbsensuppe sind noch kein umfassendes soziales Engagement.

Wichtig aber ist zu betonen, dass der Verein eine Lücke besetzt hat: Die Unterstützung von wohnungslosen und anderweitig bedürftigen Menschen ist notwendig und wird von der demokratischen Gesellschaft nur unzureichend abgedeckt. Stadt und Zivilgesellschaft sind in der Pflicht, diese Lücken zu füllen, idealerweise bevor es Rechtsextreme tun. Aber auch jetzt ist es dafür noch nicht zu spät. Gleichzeitig muss die Politik endlich umschwenken und an jenen Zuständen arbeiten, die Menschen in prekäre Situationen bringen und aus ihren Wohnungen vertreiben. Nicht nur die Armut bekämpfen, sondern auch ihre Ursachen!

In diesem Artikel wurde ausführlich dargelegt, wie vom Obdachlosenverein nicht nur Bedürftige versorgt, sondern auch Imagepflege für rechtsextreme Akteure betrieben wird. Dieser Effekt muss bei der Bewertung ebenso berücksichtigt werden wie die rassistischen, gewaltverherrlichenden und teils neonazistischen Weltbilder der Vereinsmitglieder. Noch einmal erwähnt werden soll auch die Schmutzkampagne gegen die Dresdner Tafel und ihren Chef. Daher sollte sich der Verein für akzeptiertes soziales Engagement disqualifizieren. Gleichzeitig muss für die bedürftigen Menschen, die zur Zeit von der Arbeit des Vereins profitieren, adäquater Ersatz bereitgestellt werden. Wie bereits erwähnt, sind hier Stadt und Zivilgesellschaft in die Pflicht zu nehmen.

Der hier vorgeschlagene Umgang mit dem Verein kann also auf eine einfache Losung gebracht werden: Isoliert den Verein, aber vergesst die Bedürftigen nicht!