Volkslieder, Nazis und Pegida

Volkslieder bei Pegida…

Spätestens seit 2016 gehört eine Gruppe skurriler Musikerinnen und Musiker zu Pegidas Inventar. Sie nennen sich Volksliedertafel Dresden und musizieren in dieser Konstellation laut eigener Aussage „seit 2005“.

„Volksliedertafel Dresden“ am 26. Juni 2017, Pegida Dresden. (Quelle: M. Schwarz)

Pauke, Trommel, Ziehharmonika und Gitarre begleiten bekannte und unbekannte Volkslieder. Andere Teilnehmer der Pegida-Demonstrationen werden eingeladen mitzusingen. Es gehe, so haben sie es auf eine Fahne gedruckt, um „Volkserhalt durch Ganzheitlichkeit“.

… und anderswo.

Allerdings tritt die Gruppe nicht nur bei Pegida auf. 2016 wurde auf der Sonnenwendfeier des Chemnitzer Vereins „Heimattreue Einsiedel e.V.“ musiziert, 2017 als Rahmenprogramm zu Björn Höckes bekannter Dresdner Rede im Ballhaus Watzke und 2018 bei Veranstaltungen von „Zukunft Heimat“ in Cottbus und Sagritz. Auch für interne Veranstaltungen der Jungen Alternative Sachsen (August 2018) sowie des Dresdner AfD-Verbands (Dezember 2017) lassen sich Auftritte nachweisen.

„Volksliedertafel Dresden“ am 1. Juli 2018, Zukunft Heimat in Cottbus. (Quelle: Recherchenetzwerk Berlin)

Nicht unerwähnt bleiben soll der Auftritt bei einer völkischen Kundgebung in Chemnitz, die sicherlich nicht ohne Hintergedanken auf den 18.08.2018 gelegt wurde. Organisiert wurde die Kundgebung vom Verein „Zukunft braucht Bildung e.V.“ der rechten „Bürgerinitiativen“-Gründerin Madeleine Feige aus Meißen. Beteiligt waren unter anderem bekannte langjährige Neonazi-Kader aus Chemnitz, der völkische Antisemit Nikolai Nerling und regionale rechtsextreme Gruppierungen („Freigeist e.V.“, „Heimattreue Niederdorf„). Letztere Gruppierung sollte wenige Wochen später erneut eine Rolle in Chemnitz spielen, als sie den Ordnerdienst jener rechtsextremen Demos stellte, die wochenlang die Medien beherrschten.

Im Jahr zuvor – am 9. Dezember 2017 – gab die Volksliedertafel Dresden gemeinsam mit dem Nazi-Liedermacher Frank Rennicke das Rahmenprogramm einer Lesung des NPD-Europaabgeordneten Udo Voigt in Guthmannshausen. An einem anschließenden Gedenkritual mit Fackeln und Fahnen nahm mindestens ein Volksliedertafel-Musiker teil.

„Volksliedertafel Dresden“ im Rahmenprogramm der Lesung von Udo Voigt, NPD (Quelle: Facebook)

„Andi Hoffnung“ und die Neonazi-Szene

Die auffälligste Figur der „Volksliedertafel“ tritt unter dem Pseudonym „Andi Hoffnung“ auf. Bei jedem Auftritt ist er dabei, singt, spielt Ziehharmonika. Am 30. Mai 2016 hielt er eine Rede bei Pegida, in der er eine technische Lösung forderte den angeblichen „Volkswillen“ durchzusetzen.

Andi Hoffnung

Im Internet macht er sich Gedanken über V-Personen des Verfassungsschutzes und lehnt Jeans als „Geschlechtswesenkultur“ ab (stattdessen: Trachtenhosen für Männer, Röcke für Frauen).

Screenshot aus einem Video von „Andi Hoffnung“ (Quelle: Youtube)

Aufmerksam gemacht werden soll auf das Lied „Das Licht aus Dresden“, das „Andi Hoffnung“ auf Youtube veröffentlicht hat. Strophe 5 kann antisemitisch interpretiert werden.

Von „Andi Hoffnung“ ins Netz gestellter Liedtext (Quelle: Youtube)

Auf der Straße demonstriert er neben Nikolai Nerling (16. September 2018 in Köthen) und für die Identitäre Bewegung (17. Juni 2017 in Berlin).

„Andi Hoffnung“ zusammen mit Nikolai Nerling in Köthen (Quelle: pixelarchiv)

Den bisherigen Höhepunkt seiner Aktivisten-Karriere in der rechtsextremen Szene dürfte allerdings der 19. Januar 2019 darstellen: Für den Tag ist eine Nazidemo vor dem Reichstag in Berlin angemeldet. Angekündigt sind Redebeiträge vom sich derzeit in Haft befindlichen Holocaustleugner Gerhard Ittner, von Nikolai Nerling, vom Schweizer Holocaustleugner und ehemaligem Anführer der antisemitischen „Europäischen Aktion“ Bernhard Schaub – sowie von „Andi Hoffnung„. Es wäre naiv anzunehmen, der „Volksmusiker“ wisse nicht, in welcher Gesellschaft er sich befindet. Angesichts seiner sonstigen dokumentierten Aktivitäten muss vielmehr angenommen werden, dass er sich mit voller Absicht in diese Riege gesellt.

Fazit

Infostände der Gruppierung „Ein Prozent für unser Land“ und für Ursula Haverbeck, aber auch Redner*innen der „Identitären Bewegung“ sowie einzelne Teilnehmer*innen mit NPD-Verbindung zeigen, dass die etablierte extreme Rechte integraler Bestandteil der wöchentlichen Pegida-Demonstrationen in Dresden ist. In diese Kategorie muss auch die auf den ersten Blick unverdächtige „Volksliedertafel Dresden“ eingeordnet werden. Sie ist Dienstleisterin für das gesamte Spektrum der Rechten, von AfD über NPD bis hin zu Holocaustleugner-Zusammenhängen. Einzelpersonen wie „Andi Hoffnung“ sind aktivistisch im gleichen Spektrum tätig.