Mit dem BDM in den Deutschen Bundestag

Wir haben die Aufgabe, unser Vaterland deutsch zu halten. Dieser Kampf eint uns bei allem, was uns trennt.

Dafür stehen wir ein und sind bereit.

Das schrieb, für Freunde sichtbar, Andreas Harlaß am 13. Mai 2017 auf Facebook. Heute, viereinhalb Jahre später, kandidiert er für die AfD im Wahlkreis Dresden II – Bautzen II zur Bundestagswahl. Dass er im nächsten Bundestag sitzen wird, gilt als wahrscheinlich: Sollte er die Direktwahl verpassen, dürfte der aussichtsreiche Listenplatz 5 den Einzug sichern. Warum das ein Problem ist, soll dieser Text erläutern.

 

Vor der AfD: Bund freier Bürger

Ein Mitarbeiterportrait der Jungen Freiheit fasst Harlaß‘ bisheriges Leben so zusammen:

Andreas Harlaß, geboren 1961, Koch, Marinesoldat, Programmgestalter, Moderator, Nachrichtenchef beim Radio, 20 Jahre Politikredakteur bei der Bild-Zeitung, heute Privatier.

Dazu kommen, wie er sagt, die Autorentätigkeit bei der extrem rechten Zeitung Zuerst! Deutsches Nachrichtenmagazin und seine Funktionen als Pressesprecher der AfD-Fraktion im Landtag und der AfD Sachsen.

In den 1990ern will Harlaß Gründungsmitglied des sächsischen Landesverbands vom Bund freier Bürger gewesen sein, einer Art Vorläufer der AfD, der ab 1999 von Verfassungsschutzbehörden dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet wurde und sich ein Jahr später auflöste. Manches frühere BfB-Mitglied findet sich heute in den Reihen der AfD wieder, ebenso wie beispielsweise der spätere NPD-Politiker Jürgen Gansel.

 

„Europa soll weiß bleiben“

Interessanter ist das Weltbild, das Andreas Harlaß vertritt und das er auch im Bundestag vertreten könnte. Da wäre zum Beispiel der rassistische Glaube an eine weiße Vorherrschaft, die keine anderen Hautfarben in Europa dulde. Am 17. Dezember 2017 postete er auf Facebook das Foto eines Kindes, darunter der Text:

Weihnachten und Europa
Zwei Dinge, die immer weiß sein sollten!

Was mit nichtweißen Menschen passieren soll, schreibt er nicht.

„Schülerinnen der Eliteschule bei Übungen mit dem Ball im Sportunterricht“ von der NS-Propagandafotografin Liselotte Purper, 1944

Harlaß‘ Begeisterung für die weiße Hautfarbe geht allerdings so weit, dass er ein nationalsozialistisches Propagandafoto als Alternative zu modernen „Trommelkursen“ präsentiert.

 

Ein Julleuchter und eine Drohung

Bei einem Bild des BDM bleibt es nicht. 2018 wurde publik, dass er auf seinem Facebook-Profil das Foto eines Leuchters gepostet hatte, das Historiker*innen als „Replikat eines SS-Julleuchters“ identifizierten, das „von einschlägigen rechten Online-Versandhäusern angeboten“ wird. Solche Leuchter wurden von Heinrich Himmler an seine SS-Männer verschenkt.

Damit konfrontiert, behauptete Harlaß gegenüber der Frankfurter Rundschau: „Der Leuchter ist ein Erbstück meiner Eltern und mir daher sehr wichtig.“ Der Presse drohte er: „Sollten Sie in irgendeiner Form zu kontruieren versuchen, dass ich eine besondere Nähe zur als verbrecherische Organisation eingestuften SS hege, werde ich juristische Schritte… einreichen“.

Eine solche Behauptung werden wir in diesem Text also nicht aufstellen. Allerdings werden wir fragen, wie zu seiner angedeuteten Distanzierung folgende Sachverhalte passen. Denn auch beim Julleuchter hört es nicht auf.

 

Die Schwarze Sonne an der Wand

An der Wand eine Schwarze Sonne (Hervorhebung nachträglich). Klein: Das Original als Bodenrelief im früheren SS-Quartier Wewelsburg

Auf einem von Harlaß geposteten Foto ist an der Wand das Symbol der Schwarzen Sonne zu sehen. Das Vorbild wurde im Nationalsozialismus in den damaligen Obergruppenführersaal der SS in der Wewelsburg als Bodenverzierung eingelassen. Heute wird die Schwarze Sonne von Nazis als nicht verbotene Symbolik für die eigene Ideologie zur Schau gestellt, wie hier beim Schild und Schwert Festival in Ostritz.

 

Eine Truhe von 1942

Sippentruhe von 1942

2017 gab Harlaß bekannt, dass er eine „Sippentruhe mit Yggdrasil-Gobelin“ ersteigert hat. Das Modell wird in Auktionen als Kunst im Dritten Reich des Deutschen Heimatwerk klassifiziert. In der Front ist die Jahreszahl 1942 eingeschnitzt. Zeitgenössische Literatur nennt die Truhe als Teil nationalsozialistischer Rituale („Deutsche Sippenfeiern“, R. Klodwig, 1939; sowie: „Die Gestaltung der Feste im Jahres- und Lebenslauf in der SS-Familie“, F. Weitzel). Demnach solle die Truhe „in der Jul- und SS-Ecke“ stehen und an Geburtstagen geschmückt werden (Weitzel S. 43). Ein entsprechendes Foto zeigt die Truhe gemeinsam mit einem Julleuchter, SS-Buch und einem Wandbehang, der dem Gobelin von Harlaß wenn auch nicht identisch ist, aber zumindest ähnlich sieht.

Abbildung der Sippentruhe mit Julleuchter in der NS-Literatur

 

Ein Bücherschrank mit Literatur aus dem und zum Nationalsozialismus

Auch seine Literatur präsentiert Harlaß auf Facebook stolz. Im Regal steht Das Buch der Spanienflieger, ein Buch von 1939 zu den NS-Luftangriffen im Spanischen Bürgerkrieg, die unter anderem das Verbrechen an der Stadt Guernica zu verantworten hatten. Daneben: Mit Hitler über Europa, ein Zeitzeugenbericht von Hans Baur, einem ranghohen SS-Piloten, erschienen im geschichtsrevisionistisch ausgerichteten Arndt-Verlag in Kiel. Weitere Bücher tragen Titel wie Die SS – Hitlers Instrument der Macht, Die SS-Panzer-Division „Wiking“ und Die Waffen-SS an der Ostfront.

Widukind (Pseudonym): Geschichte des deutschen Volkes, 1934; Neumann: Das Buch vom deutschen Wald, 1935

Daneben findet sich Literatur, die zwar nicht explizit der nationalsozialistischen Ideologie zuzuordnen ist, aber dennoch in dieser Zeit in Deutschland veröffentlicht wurde (siehe Abb.).

 

Die Artgemeinschaft und ihre historischen Vorbilder

Mehrmals im Jahr kommen Völkische, vor allem aus dem neonazistischen Milieu, im Südharz zu den Gemeinschaftstagen der Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung zusammen, um zum Beispiel Sonnenwenden zu feiern und sich abseits der Öffentlichkeit auszutauschen und zu vernetzen. Die Leitung hat seit 2016 der frühere Magdeburger NPD-Chef Jens Bauer inne. Sein Vorgänger, der verstorbene stellvertretende NPD-Bundesvorsitzende Jürgen Rieger, bezeichnete die Artgemeinschaft als „Kampfverband“, „der um die Möglichkeiten einer artgemäßen Lebensführung kämpfen muss“.

Dabei bezieht sich die Gruppe auf die völkische Vereinigung Bund Artam aus der Weimarer Republik. Das historische Vorbild vertrat eine radikale Blut-und-Boden-Ideologie und brachte zahlreiche Persönlichkeiten hervor, die im Nationalsozialismus Karriere machten. Mitglieder waren unter anderem der Reichsführer-SS Heinrich Himmler und der Auschwitz-Lagerkommandant Rudolf Höß. Wie offen sich die Artgemeinschaft auf den Bund Artam bezieht, zeigt sich allein darin, dass sie ihren Versandhandel, den der Artgemeinschafts-Leiter Jens Bauer betreibt, Versand Artam genannt hat, nebst Logo mit der identischen Symbolik zum alten Bund Artam.

Ein Polohemd aus genau diesem Versand der völkisch-extrem rechten Gruppierung, mit dem Logo der alten Blut-und-Boden-Organisation, trug der AfD-Kandidat Andreas Harlaß und postete davon Fotos auf Facebook.

Harlaß im Hemd mit dem Logo des Bund Artam

Darauf angesprochen, antwortete Harlaß vor kurzem gegenüber der Sächsischen: „Das wurde mir geschenkt. Ich wusste nicht, was die Aufschrift bedeutet.“

Man muss schon viel guten Willen aufbringen, um diese Aussage angesichts seiner Belesenheit zu jener Zeit und angesichts der völkischen Symbolik auf seinen Fotos zu glauben. Noch weniger glaubhaft erscheint die Ausrede allerdings, wenn man berücksichtigt, dass er ein Jahr vorher seinem Mitarbeiter einen Stein mit derselben Symbolik und der Aufschrift Artam geschenkt hat.

Screenshot von 2018: Symbolik des Bund Artam

 

Das NPD-Haus in Pirna

Ursprünglich als neuartige faschistische Immobilie nach italienischem Vorbild geplant, entpuppte sich das sogenannte Haus Montag Pirna mit angeschlossenem Club 451 lediglich als einer von vielen Neonazi-Treffs ohne größere Außenwirkung. Hinter dem Projekt steht vor allem der NPD-Kreisvorsitzende Thomas Sattelberg, früher Kameradschaftsführer der extrem gewalttätigen Skinheads Sächsische Schweiz.

Bis die Seite von Facebook verschwand, wurden auf Haus Montag Pirna regelmäßig zusammengeklaute Bilder, oft mit militantem, faschistischem Inhalt und Wehrmachtssoldaten, gepostet. Das passiert weiterhin auf der Seite Club 451 Pirna.

AfD-Kandidat teilt Post von NPD-Seite

Eines dieser Bilder teilte Andreas Harlaß 2016 auf Facebook. In den von ihm gefolgten Seiten findet sich zudem, neben zahlreichen AfD-Verbänden und -Politiker*innen, Frank Kraemer, der als Referent für rechte Metapolitik unter anderem Vorträge beim III. Weg hält. Außerdem die inzwischen vorgeblich eingestellte NPD-nahe völkische Zeitung Umwelt & Aktiv. Auch der Seite der Zeitung Sezession von Götz Kubitschek folgt Harlaß. Dass er alle diese Seiten nicht einordnen kann und nur zufällig auf Gefällt mir mausgerutscht ist, scheint unwahrscheinlich.

 

Fazit

Es könnte noch viel geschrieben werden. Welche Verschwörungstheorien er über den jüdischen Milliardär Soros verbreitet. Dass er glaubt, das Volk müsse die aktuellen Despoten vom Hof jagen. Über, laut einem Kommentar von ihm, Schränke voll mit Waffen. Über sein Lob für das Foto eines rechten Fotografen im Riefenstahl-Stil mit dem Titel „Bewahrung eignen Blutes“.

Mit extrem viel gutem Willen und ausgeprägter Blindheit auf dem rechten Auge könnte man behaupten, Harlaß habe einfach ein Interesse an historischer Literatur und Sammlerstücken. Wie dazu die Aussagen wie die hier abgebildete, der geteilte NPD-Post und die Vorliebe für den Bund Artam passen, muss die Leser*in selbst entscheiden.