Von Pegida zur NPD und zurück

Im bürgerlichen Tarnmantel in die Gesellschaft

Seit mehreren Jahren erleben wir, dass ein großer Teil der rechten Szene versucht, nicht mehr als nationalsozialistisch oder rechtsextrem wahrgenommen zu werden. Diese Strategie äußerte sich etwa in den seit 2013 massiv auftretenden rassistischen Bürgerinitiativen, hinter denen nicht selten die NPD steckte, aber auch im Phänomen der Identitären Bewegung und der AfD.

Dabei stoßen sie bei einem nicht zu unterschätzenden Teil der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. Viel zu oft wird vergessen – oder verdrängt – wie verbreitet Antisemitismus, Rassismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sind. Studien der Anti-Defamation League, der Heinrich Böll Stiftung oder auch der Friedrich Ebert Stiftung haben gezeigt, dass antisemitischen Stereotypen unterschiedlicher Ausprägung neun Prozent bis etwa die Hälfte der Befragten zustimmen. Aussagen gegen Ausländer, etwa dass die Bundesrepublik in einem gefährlichen Maß überfremdet sei, stimmen 26 bis 34 Prozent der Befragten zu. 40% glauben an eine Unterwanderung durch den Islam.

Als Ende 2014/ Anfang 2015 mehrere zehntausend Menschen unter dem Banner von Pegida auf Dresdens Straßen gegangen sind, trafen sehr wahrscheinlich genau diese zwei Milieus aufeinander: Bürger*innen, die sich zwar nicht als Rechtsextreme verstehen, aber diese Einstellungen teilen und  entsprechenden Redebeiträgen zustimmen, aber auch organisierte Rechtsextreme, die gelernt haben, dass sie ohne NPD-Flaggen erfolgreicher sind. Einige Beispiele:

  • Der spätere verurteilte Rechtsterrorist Timo Schulz trat am 22. Dezember 2014 als Ordner auf.
  • Am 14. Mai 2018 zeigte der frühere DVU- und DP-Funktionär Christian Bärthel während einer Pegida-Demonstration ein Plakat, auf dem die Freilassung der inhaftierten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck gefordert wurde.
  • Die Freie Kameradschaft Dresden, die für zahlreiche zum Teil schwerste Gewalttaten verantwortlich zeichnet, hat sich über Pegida gefunden und gegründet.
  • Bekannte Rechtsextreme der Identitären Bewegung, traten wiederholt mit Redebeiträgen und als Demonstrationsteilnehmende in Dresden auf.
  • Mitglieder der vom Verfassungsschutz beobachteten Anti-Antifa Dresden traten wiederholt, zum Teil uniformiert bei Pegida in Erscheinung. Darunter mit Bernhard Wedlich ein damaliger AfD-Funktionär (heute ADPM).
  • Von Siegfried Däbritz aus dem Pegida-Führungskreis ist bekannt, dass er sich vorher bei HoGeSa engagiert hat.

 

NPD-Aktivistin bei Pegida in der ersten Reihe

Eine weitere Person ist allerdings weniger bekannt. Wer von der Pegida-Bühne auf die nach bald vier Jahren noch etwa 1000 bis 2000 Demonstrierenden blickt, dem fällt eine schwarze Fahne mit der Aufschrift: „Roßwein wehrt sich gegen Politikversagen“ auf. Zu beinahe jeder Pegida-Demo steht Heidrun Feller aus Roßwein mit dieser Flagge in der ersten Reihe.

Heidrun Feller mit Roßwein-Flagge und -Shirt am 17.09.2018 in der ersten Reihe bei Pegida (rechter Bildrand; Screenshot: Facebook)

 

Pegida-Fronttransparent mit dem Hakenkreuz im Mülleimer, 17.09.2018. Dahinter: NPD-Aktivistin Heidrun Feller (Screenshot: Facebook)

Die 56-jährige Feller geht aber nicht nur regelmäßig zu Pegida, sie beteiligt sich auch an NPD-Aktionen im Rahmen der „Schutzzonen“- und der Kampagne der JN „Jugend packt an“.

JN-Kampagne „Jugend packt an“: Die gealterte Heidrun Feller mit Döbelner NPD-Stadtrat Stefan Trautmann (Screenshot: Facebook)

 

NPD-Kampagne „Schutzzonen“: Inszenierung einer NPD-Bürgerwehr in Döbeln (Screenshot: Facebook)

Dabei zeigt sie keine Scheu, gemeinsam mit dem Döbelner NPD-Stadtrat Stefan Trautmann vor die Kamera zu treten. Trautmann hat eine lange Liste an Vorstrafen vorzuweisen: Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Wohnungseinbruchsdiebstahl, versuchter und vollendeter Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzliche Körperverletzung, unerlaubter Waffenbesitz und Sachbeschädigung.

Am 1. Mai 2015 gehörte Trautmann zu einer Gruppe von Neonazis, die in Weimar eine DGB-Kundgebung überfallen und vier Menschen verletzt haben. Gegen die Neonazis wurden Ermittlungen wegen Landfriedensbruchs aufgenommen.

Aber auch abseits regionaler NPD-Aktionen nimmt Heidrun Feller am rechtsextremen Szeneleben teil. Während des Nazi-Trauermarschs am 10. Februar 2018 in Dresden lief sie am Banner des Freundeskreis JN Borna, über das wie gewohnt eine völlig verzerrte Darstellung der Bombardierung Dresdens transportiert wurde, die absolut überzogene Zahl der Opfer inklusive.

Zum Geburtstag Adolf Hitlers gehörte sie wie viele weitere Neonazis zu den Teilnehmenden des „Schild und Schwert“-Festivals in Ostritz.

Heidrun Feller gibt 2016 an, während eines Dynamo Dresden Spiels als Sanitäterin eingesetzt zu sein. (Screenshot: Facebook)

Wenn sie gerade nicht auf Nazifestivals geht, engagiert sich Feller beim DRK und fährt als ehrenamtliche Helferin zu Großveranstaltungen, etwa zu Konzerten oder Sportveranstaltungen nach Dresden und Leipzig.

Roßwein wehrt sich – aber nicht gegen Nazis

Wie erwähnt, tritt die NPD-Aktivistin bei Pegida mit T-Shirt und Fahne der Gruppierung „Roßwein wehrt sich“ in Erscheinung. „Roßwein wehrt sich“ ist eine von vielen sogenannten „Bürgerinitiativen“, die sich explizit gegen die lokale Unterbringung geflüchteter Menschen einsetzen. 2015 wurden Demonstrationen mit Teilnehmerzahlen im zweistelligen Bereich durchgeführt, die zum Teil nah an einer Geflüchtetenunterkunft vorbeiführten. Sprecher Jens Tamke sagte damals: „Wir sind keine Rechten, wir sind keine Linken, sondern ganz normale Bürger.“

Dieses Auftreten brachte ihm und seinen Mitstreitern Sven Richter, Jörg Reinsch, Erik Grämer und Jean Laschtowitz aber eine Eintrittskarte zu Runden Tischen unter anderem mit Bürgermeister, Pfarrer und Vertretern des lokalen Willkommensbündnisses ein.

Neben der von der Gruppe von Anfang an ausgehenden rassistischen Stimmungsmache, die sich natürlich beim Publikum verfängt – auf der Facebookseite wünschte man Ausländer in Gaskammern – ist die anfängliche bürgerliche Maske offenem rechtsextremem Aktivismus gewichen. An der Vereinsgründung der Neonazi-Gruppierung „Wir lieben Sachsen/Thügida“ war neben Frank Rohleder (NPD), Alexander Kurth (damals Die Rechte, heute Republikaner), Uta Nürnberger (AfD) und weiteren bekannten Akteuren der rechtsextremen Szene auch ein Vertreter von „Roßwein wehrt sich“ beteiligt: Mike Schade.

„Roßwein wehrt sich“ bekennt sich zur „Schutzzone“-Inszenierung in Döbeln, an der der NPD-Stadtrat Stefan Trautmann beteiligt war. (Screenshot: Facebook)

 

Reichsbürger und rechter Aktivist Curd Schumacher im „Roßwein wehrt sich“-T-Shirt (Screenshot: Facebook)

Nicht zuletzt bekennt sich „Roßwein wehrt sich“ zur Beteiligung an der NPD-Kampagne „Schutzzone“ in Döbeln, an der wie bereits erwähnt der NPD-Stadtrat Stefan Trautmann beteiligt war.

 

Fazit: Es ist nicht alles besorgt, was bürgerlich wirkt

Wieder einmal muss konstatiert werden, dass nicht nur, aber gerade auch in Sachsen extrem rechte Akteure allzu schnell unterschätzt werden. Es scheint als habe man immer noch nichts aus der spätestens seit 2013 erfolgreichen NPD-Strategie der Bürgerinitiativen gelernt. Stattdessen wird von „besorgten Bürgern“ gesprochen, denen man zuhören müsse. Dass Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zum Teil weit verbreitet sind, wird dabei gern ignoriert. Und nicht selten entpuppen sich diese angeblich nicht linken, nicht rechten, sondern „ganz normalen“ Bürger*innen als extrem rechte Aktivist*innen, die zusammen mit vorbestraften Gewalttätern agieren.

 

Ergänzung am 06.04.2019

Nachdem die NPD und die Leipziger Volkszeitung ihren vollständigen Namen verwendet haben, wurde der Artikel aktualisiert. Anlass war Fellers Wahlvorschlag für die NPD für den Stadtrat in Roßwein, mit dem sie aber scheiterte. Trotz Infoständen hat sie nur 34 von notwendigen 60 Unterstützungsunterschriften mobilisieren können.