Identitärer RechtsRap: Der Sound für den neofaschistischen Aufstand

Musik bietet der extremen Rechten die Möglichkeit, ihre Ideologie über die Grenzen der eigenen Szene hinaus zu verbreiten. Entsprechende Versuche gab es vor allem im Bereich der Rockmusik, bei Metal und Liedermachern – und in letzter Zeit verstärkt im Bereich des Rap. Als Beispiel sei hier der Rheinländer Julian Fritsch genannt, der unter dem Label MaKss Damage 2015 mit Kategorie C auf der Bühne stand. 2011 trug er zwei Songs zur „Schulhof-CD“ der NPD Berlin bei.

Dennoch konnte sich Rap nur unwesentlich als relevanter Teil der neonazistischen Musikszene etablieren. Anders sieht es im Spektrum der Identitären aus. Hier wird die Musikszene vom Rap dominiert. Das ist allein aus strategischen Gesichtspunkten naheliegend: In ihrem als „Metapolitik“ bezeichneten Hegemoniekampf haben die Neofaschisten das Musikgenre gewählt, das bei Jugendlichen derzeit am beliebtesten ist. Entsprechend groß ist die Anzahl der Jugendlichen, die sie potenziell erreichen könnten. Das heißt allerdings nicht, dass Identitäre nicht auch am neonazistischen Musikleben teilhaben können.

Dabei bleibt die Anzahl identitärer Rapper – wie auch der gesamten identitären Musikszene – sehr überschaubar: Vier relevante Künstler*innen liefern identitären RechtsRap, mit Kai Naggert alias „Prototyp“ ist kürzlich ein fünfter dazugekommen. Wie auch in anderen Bereichen des IB-Hegemoniekampfs sind die Protagonisten Multifunktionäre. Naggert beispielsweise ist gleichzeitig Teil des Medienformats „Ruhrpott Roulette“ sowie Entwickler von „Patriot Peer“ – einer App, die wohl länger zur Fertigstellung braucht als der Berliner Flughafen (immer schön spenden, ihr Patrioten!).

 

Chris Ares

Chris Ares beim Angriff auf Journalisten. Quelle: Anne Wild

Chris Ares, bürgerlich Christoph Zloch, kommt aus Freiburg im Breisgau und wird seit 2016 vom Verfassungsschutz beobachtet. Früher engagierte er sich im „Bündnis deutscher Patrioten“ (BdP), heute produziert er  Musik in einem eigenen Studio nahe München. 2016 griff der Rapper, der sich nach dem griechischen Kriegsgott benannt hat, am Rande einer AfD-Wahlparty Pressefotografen tätlich an. Der Angriff ist gut dokumentiert, trotzdem wurden die Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft eingestellt.

Ares trat bei Veranstaltungen der Identitären und der AfD auf, sein letztes Album „2014-2018“ erschien beim Label „Arcadi Musik“, das zum „Arcadi Verlag“ gehört. Dahinter steht unter anderem der AfD-Funktionär Yannick Noé. Vor kurzem hat Ares ein eigenes Label angekündigt, das unter dem Namen „NDS“ („Neuer Deutscher Standard“) firmieren soll.

Chris Ares‘ Songtexte sind geprägt von einem extrem rechten Weltbild. In Texten besingt er Gewaltphantasien und Großmachtträume, thematisiert werden die antisemitisch konnotierten Verschwörungstheorien „Hooton-Plan“ und „Morgenthau-Plan“. Beide sind im rechten Spektrum virulent, werden gern als angebliche Beweise für einen geplanten „Volkstod“ herangezogen. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlug der US-Rassist Earnest Hooton die Ansiedlung nichtdeutscher Bevölkerung in Deutschland vor, um Deutschland die ihm angeblich innewohnende Aggressivität auszutreiben. Zur selben Zeit entwarf der damalige US-Finanzminister Henry Morgenthau den Plan, Deutschland in ein Agrarland umzuwandeln, damit es keine Angriffskriege mehr führen könne. Beide Pläne wurden verworfen, werden allerdings von der extremen Rechten immer wieder herangezogen, auch von Chris Ares im Lied „Du mein Deutschland“:

Ich hasse deine Feinde, die dich so vergiftet haben
Einmal stark sein, dann leuchtest du in Licht und Farben
[…] Das hier ist mehr wert als Hooton und Morgenthau

An anderer Stelle des selben Songs wird deutlich, was für Ares alles zu Deutschland gehört: Mindestens Teile von Österreich und Polen.

Von Wien bis Stettin, wir steh’n hier für die Erben
Verwurzelt in Deutschland, du mein Deutschland
Stets an deiner Seite
Auch wenn du uns mal enttäuscht hast
Du bist mehr, als uns die BRD erschaffen hat
Dieses Multikulti-USA-Schlaraffenland

Im Song „Defend Europe“ wird eine „Rückkehr der Germanen“ besungen, die mit Panzerwagen Punks durchs Land jagen.

Brechen Teutonen über Dünen
Übernehmen jedes Land, das ist die Rückkehr der Germanen
Ja, wir opfern unser Dasein nur aus Rücksicht auf die Ahnen
Eure vollvermummten Punkvisagen
Werden mittels Panzerwagen durch das ganze Land gejagt
Um euch Maden dann anzuklagen

 

Komplott

Patrick Bass alias „Komplott“ (li) am Stand der Marburger Burschenschaft Germania bei der „Zwischentag“-Konferenz 2013. Quelle: lsa-rechtsaussen

Unter dem Pseudonym „Komplott“ rappt mit Patrick Bass ein früherer Neonazi-Aktivist für die Identitären. Schon vor seiner Zeit als Identitärer war er als „Subversiv“ musikalisch unterwegs, sein Lied erklang in einem „Mobilisierungs-Track zum letztendlich durch die Polizei verbotenen neonazistischen „Antikriegstag“ in Dortmund“ (lsa-rechtsaußen).

Bei der Identitären-Veranstaltung „Europa Nostra“ am 25. August 2018 in Dresden stand Komplott zusammen mit Chris Ares auf der Bühne. Nicht zuletzt wegen koordinierten Angriffen auf die Presse durch Ordner wurde die Veranstaltung in den Medien als Desaster eingeschätzt. Auch qualitativ fiel der Auftritt der IB-Rapper weit hinter vergleichbaren Konzerten der extrem rechten Szene zurück.

Sein 2018 bei „728er Records“ erschienenes Album „Weiszes Kaninchen“ wurde massiv von der Gruppierung „Ein Prozent für unser Land“ beworben, sie werden auch auf der Rückseite der CD-Hülle aufgeführt.  Im Jahr vorher veröffentlichte er zusammen mit Chris Ares die EP „Bastion“.

In seinen Texten macht Komplott aus seiner extrem rechten Ideologie keinen Hehl. Das deutsche Volk sei ein „schlafender Riese“, den man nur vom paralysierenden „krankmachenden Gift“ befreien müsse. Auch bemüht er die neonazistische Angstmacherei vor dem angeblichen „Volkstod“, wenn er vom „Genozid“, „Krieg“ und Austausch rappt. Zitat aus dem Titel „Gestern und Morgen“:

Mein Volk, wie kein zweites auf der Erde
Heute bricht der Wolf in deine Herde
Noch bist du blind, noch bist du taub
Schlangenzungen haben deine Sinne geraubt
Tyrannen halten dich mit Hass und Verachtung
In Agonie, paralysierte Umnachtung
[…]
Zeig dein wahres Gesicht, du schlafender Riese
Du ahnst es noch nicht, welche Kraft in dir ist
Wie viel Macht du besitzt
Wenn du erwachst von dem krankmachenden Gift
Sie führend Krieg gegen dich, Genozid gegen dich
Glauben, man kann einen Stamm einfach tauschen
Spiel dieses perfide Spiel nicht mehr mit
Frisch auf, mein Volk, die Flammenzeichen rauchen

Die letzte Zeile stammt aus dem gleichnamigen martialischen Gedicht von Karl Theodor Körner aus dem 19. Jahrhundert. Darin heißt es:

Du sollst den Stahl in Feindes Herzen tauchen
Frisch auf, mein Volk! Die Flammenzeichen rauchen
Die Saat ist reif, ihr Schnitter, zaudert nicht!
Das höchste Heil, das letzte liegt im Schwerte!

Damit dürfte offensichtlich sein, auf welche Weise der „schlafende Riese“ erwachen und seine „Tyrannen“ loswerden soll.

Im Titel „Europa“ fordert Komplott nicht nur auf, sich zu „wehren“ und „in den Heldenkampf“ zu marschieren, sondern er besingt auch den „großen Austausch“ – dem angeblichen Plan, die ansässige Bevölkerung gegen „Fremde“ auszutauschen. Diese Verschwörungstheorie wurde spätestens mit dem Anschlag in Christchurch bekannt, bei dem ein Rechtsterrorist am 15. März 2019 zwei Moscheen angriff und dabei 51 Menschen tötete und weitere 50 zum Teil schwer verletzte. In seinem Bekennerschreiben berief sich der Rechtsterrorist auf den angeblichen „großen Austausch“, gegen den „Komplott“ in diesem Song zur „Reconquista“ – zur Rückeroberung – aufruft:

Wir müssen uns wehren
Schnell, sonst ist es zu spät
Denn unsere Gegner vernichten
Die ethnokulturelle Kontinuität
[…]
In jeder gottverdammten Scheißstadt
Sehn wir was passiert:
Der große Austausch
Doch wir stehen ja noch hier
Wir werden unsere Fahne tragend
In den Heldenkampf marschieren
Reconquista der Heimat in jedem Stadtbezirk

 

Prototyp

Kai Naggert alias „Prototyp“. Quelle: Youtube (Kanal von Chris Ares)

Unter dem Pseudonym „Prototyp“ neu im RechtsRap ist Kai Naggert, der in der Identitären-Szene in Nordrhein-Westfalen aktiv ist. Daneben bespielt er die Marke „Ruhrpott Roulette“ mit Youtube-Content, bewirbt Merch-Artikel zu dieser Marke und versichert immer mal wieder, dass die Identitären-App „Patriot Peer“, die er mitzuverantworten hat, irgendwann doch noch veröffentlicht wird.

Prototyp hat bislang einige Songs beim bereits erwähnten Label „Arcadi Musik“ veröffentlicht, dabei eng mit Chris Ares zusammengearbeitet. Entsprechend verwendet er die Abkürzung „NDS“ – „Neuer Deutscher Standard“, die auch der Name des von Ares angekündigten Labels ist. Produzieren lässt Prototyp bei „Thanatan“, hinter dem sich der Identitäre Falk Schakolat verbirgt.

Auch hier ein paar Zitate aus Songs, die zeigen, welche Ideologie transportiert werden soll. Aus „Deutschland“, erschienen am 27. September 2019:

Ich gehe raus und seh das Schicksal meiner Heimat
Sehe, wie das Volk krepiert, gelenkt von diesem Scheißstaat
Ich heb die Faust und steh mit Tausenden vorm Reichstag
Auf die Straße, reiht euch ein, solange ihr noch Zeit habt

Prototyp, ich rechne ab, für das, was ihr gemacht habt
Ich hör erst auf, wenn alle randalier’n in jeder Kackstadt
Ich attackiere weiter, bis ich es vollbracht hab
Am Ende wird man seh’n, ob der Deutsche zuletzt gelacht hat

[…] Ich kämpfe für mein Volk, weil es mir am Herzen liegt
Ich scheiße auf Erfolg, ich bin kein Typ, der sich verbiegt
Macht doch, was ihr wollt, ihr werdet sehn, was bald geschieht
Wenn der Adler wieder über unserer Heimat fliegt

Es folgen Zitate aus dem Titel „Aufstand“. Auch Prototyp rappt von der Verschwörungstheorie des „großen Austauschs“, die natürlich von nicht näher benannten Mächten „kontrolliert und finanziert“ werde. Auch die rechtsextreme Erzählung von der „Umerziehung“ der Deutschen durch die Alliierten seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird von Prototyp bemüht:

Die Masse ist total zersetzt
Umerzogen, programmiert
Das Volk im Westen fast ersetzt
Hier sieht man Schulen, wo kein Kind mehr Deutsch spricht
[…]
Die Scheiße wird gesteuert
Kontrolliert und finanziert
Von Massenmedien befeuert
Uns geht es gut, dass ich nicht lache
Der Fall Europas ist beschlossene Sache

 

Melanie

Melanie Schmitz, wie sie sich auf Instagram präsentierte: Nazi-Spruch und Flagge der faschistischen CasaPoundItalia. Screenshot: Instagram

Die Identitäre Melanie Schmitz hat bislang ein Lied veröffentlicht – „Hetztape“, eine Parodie auf „Sextape“ der Youtuberin Katja Krasavice. Ebenfalls mitgewirkt haben Kai Naggert und Marius König vom Identitären-Projekt „Ruhrpott Roulette“.

Schmitz war eine Zeit lang bei der gewalttätigen Identitären-Gruppe „Kontrakultur Halle“ aktiv, bevor sie 2018 zurück nach Essen gezogen ist. In der Vergangenheit hat sie versucht, weitere Genres zu bedienen. Sie sang zusammen mit dem Hallenser Identitären Till-Lucas Wessels als „Variete Identitaire“ wenige Lieder, bis das Projekt, wie so viele der IB, verstummte. Beim erwähnten „Europa Nostra“ in Dresden trat Schmitz solo mit Gitarre auf.

Gewalt spielt natürlich auch bei ihr eine Rolle, wie die nachfolgenden Zitate aus „Hetztape“ zeigen:

Also Baby, mach die Kamera an,
Kommt ein Nafri, geht es ba-ba-ba-bam
[…]
Schatz, ich mach dir Kanonen klar,
meine Worte ballern heftiger als deutsche Kampfpanzer
Ich will Identität und kein‘ Marxismus-Scheiß
[…]
Schöne Schale, fauler Kern,
Deutsche Willkommenskultur ein Trojanisches Pferd

 

Bloody 32

Bloody 32 (re) zusammen mit Komplott während des Konzerts am 9. März 2019 in Hoyerswerda. Screenshot: Instagram

Als für den 9. März 2019 von den Identitären ein Konzert in Cottbus beworben wurde, wurde als Rapper neben Komplott und Chris Ares auch der Cottbusser „Bloody 32“ angekündigt. Nach öffentlichem Druck zog die Location ihre Zusage zurück. Die Identitären bewarben das Konzert nun nur noch mit der Ortsangabe Cottbus. Schließlich wurde es im sächsischen Hoyerswerda durchgeführt, der Heimatstadt des Identitären Toni Schneider, der an diesem Abend auch anwesend war. Als Location wurde die Immobilie der „Black Devils“ genutzt, wo in den vergangenen Jahren mehrere Neonazi-Konzerte stattfanden.

Bloody 32 ist seit Jahren als Rapper aktiv, spätestens seit 2016 mit dem Titel „Staatsfeind“ fällt er durch extrem rechte Texte auf. Sein letztes Album „Zeitzeuge“ hat er im „patriotischen Label“ „Sub:Version Production“ veröffentlicht. Es folgen Zitate des Musikers, den Brandenburgs Verfassungsschutz nur als „asylkritisch“ einordnet.

Wie in der rechten Szene üblich, deutet Bloody 32 das mahnende Erinnern an die Verbrechen des Nationalsozialismus in eine Schuld um, mit der sich das deutsche Volk selbst unterjoche und von der es sich befreien müsse. In „Widerstand“ klingt das so:

Viel zu lange haben wir nur tatenlos zugesehen
Jetzt ist es an der Zeit einen neuen Weg zu gehen
Seit über 70 Jahren laufen wir bereits geduckt
Sie brechen die Gesetze, jedes Mal, wenn keiner guckt

Eine Steigerung erfährt diese Erzählung im aktuellen Song „Bis in die Ewigkeit“, das er mit Julia Juls von der Gruppierung  „Kandel ist überall“ aufgenommen hat. Dort schwingt Relativierung des Holocaust mit:

Die Zeit ist vorbei, sich für damals zu schämen
Jedes Volk hat seine dunklen Seiten gesehen

Von einer angeblichen Verschwörung des „Systems“, der Demokratie in Deutschland, rappt Bloody 32 in „Staatsfeind“:

Lieber sterbe ich kämpfend, als mit der Lüge zu leben
Das mit Demokratie, das ist alles nur Schein
Denn sie wird kontrolliert, eure gewählte Partei
Jede Nachricht im Fernsehen ist in Deutschland zensiert
Alles nur, damit der dumme Steuerzahler nicht kapiert
Was wirklich passiert, wie das hier wirklich funktioniert
Damit der Mensch nicht den Glaube an Recht und Ordnung verliert
Sie kontrolliert die Gewalt, Bundeswehr, Polizei
In diesem System bist du vieles, aber niemals frei

 

Fazit

Die Texte der IB-Rapper, ob mit oder ohne neonazistischer Vergangenheit, transportieren genauso rechtsextreme Ideologie und Gewaltverherrlichung wie ihre Pendants im klassischen RechtsRock, wenn auch etwas abgeschwächt. Die Verschwörungstheorien können auf Kinder und Jugendliche einwirken und so zu einer rechten Lebenswirklichkeit beitragen. Fortwährend wird die Angst geschürt vor Ausländern, politischen Gegnern und angeblichen Verschwörungen von Mächten im Hintergrund. Es wird der Aufstand beschworen und eine glorreiche Zukunft versprochen, wenn „das Volk“ sich nur erhebe.

Es sind nur wenige IB-Rapper, die allerdings ihre Reichweite über das Internet stark erhöhen. Zuletzt erreichte ein Titel kurzzeitig Platz eins der Amazon-HipHop-Charts. Solange Behörden wegsehen und Gelegenheiten, rechtlich gegen RechtsRapper vorzugehen, ungenutzt verstreichen lassen, Verfahren wie im Fall von Chris Ares einstellen und die Protagonisten verharmlosend einordnen, wird die kleine aber laute Szene weiter ihre Strukturen festigen.

Dass aus Worten Taten werden können, dazu müssen wir nicht erst nach Christchurch in Neuseeland gucken.