Rechte in Marrakesch: Höhepunkt einer rassistischen Desinformationskampagne

Einleitung

Die rassistisch motivierte Kampagne gegen den „Global Compact for Migration“ (die deutsche pdf kann hier heruntergeladen werden) ist ein Lehrstück rechter Propaganda. Wenn es keine Fakten gibt, die AfD, NPD & Co. skandalisieren können, schaffen sie sich einfach selbst welche. Als Beispiel sei hier Punkt 17 genannt, der zum Ziel hat, alle Formen von Diskriminierung zu beseitigen. Dazu sollen „Hassstraftaten“ geahndet werden (im deutschen Strafrecht wären das etwa Volksverhetzung und Beleidigung), „Migranten und Gemeinschaften befähigen, jede Aufstachelung zu Gewalt gegen Migranten anzuzeigen“ (Punkt 33. b) sowie Beseitigung von rassistischer Behördenpraxis (Punkt 33. d). Außerdem wird explizit erwähnt, die völkerrechtlich verankerte Meinungsfreiheit zu schützen

„Ziel 17“ im Global Compact for Migration

Innerhalb des rechte Spektrums, dessen Agitation auf Rassismus aufbaut und das sehr davon profitiert, dass Gerichte das Grundrecht auf Meinungsfreiheit oft höher werten als den Straftatbestand der Volksverhetzung, wird dieses Ziel natürlich als Bedrohung wahrgenommen. Der rechte Blogger Don Alphonso titelte am 1. Dezember in der WELT: „Wie der Migrationspakt die Meinungsfreiheit umgeht“. Der Verschwörungsideologe Heiko Schrang hat ein Video mit dem Titel „Migrationspakt beschlossen-Kriegserklärung gegen unser Volk“ hochgeladen, das inzwischen knapp 160.000 Mal aufgerufen wurde. Ein Artikel auf Philosphia Perennis vom 10. Oktober titelte: „UN-Migrationspakt will Kritik an Immigration unter Strafe stellen“. Die AfD desinformiert in einem Video: „Kritik dagegen [Migration, Anm.] soll unterdrückt, die Berichterstattung manipuliert und die freie Meinungsbildung eingeschränkt werden.“

 

Rechte Protesttouristen in Marrakesch

Als am 10. Dezember Vertreter von 164 Ländern zusammentraten, um den Migrationspakt zu verabschieden, setzte ein rechter Protesttourismus ein, der den Höhepunkt der rassistischen Kampagne bilden sollte. Vor allem Vertreter von AfD und NPD meldeten sich aus der marokkanischen Hauptstadt. Die Akteure sollen im Folgenden vorgestellt werden.

AfD-Funktionäre

Teil der rechten Protesttouristen am AfD-Banner in Marrakesch (Screenshot: Facebook)

Von der AfD reisten Funktionäre unterschiedlichster Organisationsebenen an. Dazu gehört Martin Hebner, der über die bayerische Landesliste der AfD in den Deutschen Bundestag einzog. Außerdem sitzt er im Vorstand der AfD Bayern. Sein Mitarbeiter Matthias Moosdorf hat die Kampagne gegen den Migrationspakt koordiniert. Vor Ort gab Hebner der rechten Plattform unzensuriert.at ein Exklusivinterview. Die Plattform gilt als IB- und FPÖ-nah und fällt immer wieder durch Falschbehauptungen auf. Wiederholt kam es zu Urteilen wegen übler Nachrede.

Geplant war außerdem die Anreise eines weiteren AfD-Bundestagsabgeordneten: Johannes Huber. Sie wurde jedoch kurzfristig abgesagt. Huber ist Obmann für die AfD im Petitionsausschuss.

Als Duo regelmäßig aus Marokko berichtet haben der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Roger Beckamp und Jonas Dünzel von der Jungen Alternative Dresden. In kleinen Videoclips präsentieren sie Weisheiten wie: Ein Markt in Marrakesch unterscheide sich kaum von deutschen Weihnachtsmärkten, nur fehlen die Betonsperren.

Auch der frühere CSU-Politiker Rainer Rothfuß war vor Ort. Inzwischen sitzt er im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung und engagiert sich im AfD-Kreisverband Oberallgäu Kempten Lindau. In den letzten Jahren wendete sich Rothfuß Verschwörungstheorien zu. Er glaubt an „Eliten“, die Bürger „manipulieren“ und eine „New World Order“ anstrebten.

Ein weiteres Mitglied der Reisegruppe war Joachim Paul, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag in Rheinland-Pfalz. Der Gymnasiallehrer ist Alter Herr der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn. Die Verbindung gehört dem extrem rechten Dachverband Deutsche Burschenschaft an. Wegen Nazi-Vorfällen gerät sie immer wieder in die Schlagzeilen, 2012 beispielsweise wegen Verbindungen zum neonazistischen Aktionsbüro Mittelrhein oder der Mitgliedschaft des Nazis Norbert Weidner, der sich in der 1995 verbotenen FAP engagiert hatte.

Auch Mike Moncsek nahm für die AfD an der Reise teil. Moncsek ist Vorstandsmitglied im sächsischen AfD-Landesvorstand und Beisitzer im AfD-Kreisvorstand Mittelsachsen. Für den Kreisverband hat Moncsek den Bundestagswahlkampf gemanagt.

Blogger und andere rechte Aktivisten

Zwar auch Mitglied in der Jungen Alternative, aber vor allem für seine Videos und Facebookbeiträge bekannt ist der Immobilienkaufmann Henryk Stöckl. Laut BuzzFeed „verbreitet er falsche Informationen und manipuliert Hunderttausende Menschen“. In einem seiner Videos nannte er den Klarnamen einer Journalistin, bezeichnete sie als gewaltbereit und hoffte, sie würde ihren Job verlieren. Natürlich meldete er sich auch aus Marrakesch.

Vor Ort live gestreamt haben Thomas Gauer und Nico Mandelbaum von Beweg was! Deutschland. Köln gegen Rechts zufolge behauptet die Gruppe, es fände ein „Genozid am deutschen Volk“ statt und Deutschland würde den „Abschaum Afrikas“ aufnehmen. Ein Mitglied der Gruppe befinde sich in einer „VK“-Gruppe, in welcher auch Informationen zum Beschaffen von Waffen kursieren.

Mit ihnen unterwegs war der Videoblogger Ralph Bühler. Auf Facebook sammelt er Selfies mit AfD-Rechtsaußen wie Björn Höcke und Nicolaus Fest. Beobachter-News zufolge gehört er selbst AfD und JA an, außerdem Hand in Hand und anderen rechten Verbindungen.

Für eingeschenkt.TV meldete sich aus Marrakesch der Youtuber Max Bachmann. 2017 war Bachmann zusammen mit den Alt Right- und Truther-Aktivisten Luke Rudkowski, Lauren Southern und Tim Pool im Rahmen der Hamburger G20-Proteste unterwegs. In seinem Video aus Marrakesch stellte er rechtsextreme AfD-Aussagen und die sachliche Meinung eines neutralen Beobachters als gleichwertig nebeneinander.

Der Plauener Unternehmensberater Dirk Spengler ist wie der bereits erwähnte Rainer Rothfuß Mitglied im „Druschba Global e.V.“ und wie Rothfuß war auch er vor Ort. Gemeinsam mit Rothfuß und Bachmann reiste er im Anschluss zur spanischen Exklave Ceuta. Auf Facebook ist Spengler Mitglied mehrerer verschwörungstheoretischer Gruppen (Beispiel: „KenFM NUR für Systemkritiker“).

Rothfuß, Spengler und Bachmann in Ceuta (Screenshot: Facebook)

 

Udo Voigt für die NPD

Für die NPD-Propaganda stellte sich der Europaabgeordnete Udo Voigt vor die Kamera und wurde bei einem nicht angezeigten Protest vorübergehend festgenommen. Das wurde rasch von NPD- und NPD-nahen Seiten aufgegriffen und skandalisiert. Zitat von Voigts Twitterkanal: „Damit ist der NPD-Politiker der erste, der nach der heutigen Unterzeichnung des Migrationspaktes für Kritik an grenzenloser Zuwanderung bestraft wird.“

Ob Udo Voigt Kontakt zu den anderen rechten Bloggern und Politikern hatte, lässt sich nach aktuellem Stand nicht sagen. In Gewahrsam hat er sie jedenfalls nicht angetroffen: die AfD hat vor ihrer Banneraktion brav beim Sicherheitsdienst nachgefragt.

Udo Voigt (NPD) in Marrakesch (Screenshot: Facebook)

 

Fazit

Der rechte Protesttourismus bildete einen relativ unspektakulären Abschluss der Kampagne gegen den Migrationspakt. Er zeigt aber wieder einmal deutlich, dass die AfD in der Lage ist, einen Skandal aus dem Nichts heraus zu erzeugen und diesen gemeinsam mit anderen Akteuren des rechten bis extrem rechten Spektrums bis zum Ende durchzuspielen.