Rechte in Marrakesch: Höhepunkt einer rassistischen Desinformationskampagne

Einleitung

Die rassistisch motivierte Kampagne gegen den „Global Compact for Migration“ (die deutsche pdf kann hier heruntergeladen werden) ist ein Lehrstück rechter Propaganda. Wenn es keine Fakten gibt, die AfD, NPD & Co. skandalisieren können, schaffen sie sich einfach selbst welche. Als Beispiel sei hier Punkt 17 genannt, der zum Ziel hat, alle Formen von Diskriminierung zu beseitigen. Dazu sollen „Hassstraftaten“ geahndet werden (im deutschen Strafrecht wären das etwa Volksverhetzung und Beleidigung), „Migranten und Gemeinschaften befähigen, jede Aufstachelung zu Gewalt gegen Migranten anzuzeigen“ (Punkt 33. b) sowie Beseitigung von rassistischer Behördenpraxis (Punkt 33. d). Außerdem wird explizit erwähnt, die völkerrechtlich verankerte Meinungsfreiheit zu schützen

„Ziel 17“ im Global Compact for Migration

Innerhalb des rechte Spektrums, dessen Agitation auf Rassismus aufbaut und das sehr davon profitiert, dass Gerichte das Grundrecht auf Meinungsfreiheit oft höher werten als den Straftatbestand der Volksverhetzung, wird dieses Ziel natürlich als Bedrohung wahrgenommen. Der rechte Blogger Don Alphonso titelte am 1. Dezember in der WELT: „Wie der Migrationspakt die Meinungsfreiheit umgeht“. Der Verschwörungsideologe Heiko Schrang hat ein Video mit dem Titel „Migrationspakt beschlossen-Kriegserklärung gegen unser Volk“ hochgeladen, das inzwischen knapp 160.000 Mal aufgerufen wurde. Ein Artikel auf Philosphia Perennis vom 10. Oktober titelte: „UN-Migrationspakt will Kritik an Immigration unter Strafe stellen“. Die AfD desinformiert in einem Video: „Kritik dagegen [Migration, Anm.] soll unterdrückt, die Berichterstattung manipuliert und die freie Meinungsbildung eingeschränkt werden.“

 

Rechte Protesttouristen in Marrakesch

Als am 10. Dezember Vertreter von 164 Ländern zusammentraten, um den Migrationspakt zu verabschieden, setzte ein rechter Protesttourismus ein, der den Höhepunkt der rassistischen Kampagne bilden sollte. Vor allem Vertreter von AfD und NPD meldeten sich aus der marokkanischen Hauptstadt. Die Akteure sollen im Folgenden vorgestellt werden.

AfD-Funktionäre

Teil der rechten Protesttouristen am AfD-Banner in Marrakesch (Screenshot: Facebook)

Von der AfD reisten Funktionäre unterschiedlichster Organisationsebenen an. Dazu gehört Martin Hebner, der über die bayerische Landesliste der AfD in den Deutschen Bundestag einzog. Außerdem sitzt er im Vorstand der AfD Bayern. Sein Mitarbeiter Matthias Moosdorf hat die Kampagne gegen den Migrationspakt koordiniert. Vor Ort gab Hebner der rechten Plattform unzensuriert.at ein Exklusivinterview. Die Plattform gilt als IB- und FPÖ-nah und fällt immer wieder durch Falschbehauptungen auf. Wiederholt kam es zu Urteilen wegen übler Nachrede.

Geplant war außerdem die Anreise eines weiteren AfD-Bundestagsabgeordneten: Johannes Huber. Sie wurde jedoch kurzfristig abgesagt. Huber ist Obmann für die AfD im Petitionsausschuss.

Als Duo regelmäßig aus Marokko berichtet haben der nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Roger Beckamp und Jonas Dünzel von der Jungen Alternative Dresden. In kleinen Videoclips präsentieren sie Weisheiten wie: Ein Markt in Marrakesch unterscheide sich kaum von deutschen Weihnachtsmärkten, nur fehlen die Betonsperren.

Auch der frühere CSU-Politiker Rainer Rothfuß war vor Ort. Inzwischen sitzt er im Kuratorium der AfD-nahen Desiderius Erasmus Stiftung und engagiert sich im AfD-Kreisverband Oberallgäu Kempten Lindau. In den letzten Jahren wendete sich Rothfuß Verschwörungstheorien zu. Er glaubt an „Eliten“, die Bürger „manipulieren“ und eine „New World Order“ anstrebten.

Ein weiteres Mitglied der Reisegruppe war Joachim Paul, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im Landtag in Rheinland-Pfalz. Der Gymnasiallehrer ist Alter Herr der Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn. Die Verbindung gehört dem extrem rechten Dachverband Deutsche Burschenschaft an. Wegen Nazi-Vorfällen gerät sie immer wieder in die Schlagzeilen, 2012 beispielsweise wegen Verbindungen zum neonazistischen Aktionsbüro Mittelrhein oder der Mitgliedschaft des Nazis Norbert Weidner, der sich in der 1995 verbotenen FAP engagiert hatte.

Auch Mike Moncsek nahm für die AfD an der Reise teil. Moncsek ist Vorstandsmitglied im sächsischen AfD-Landesvorstand und Beisitzer im AfD-Kreisvorstand Mittelsachsen. Für den Kreisverband hat Moncsek den Bundestagswahlkampf gemanagt.

Blogger und andere rechte Aktivisten

Zwar auch Mitglied in der Jungen Alternative, aber vor allem für seine Videos und Facebookbeiträge bekannt ist der Immobilienkaufmann Henryk Stöckl. Laut BuzzFeed „verbreitet er falsche Informationen und manipuliert Hunderttausende Menschen“. In einem seiner Videos nannte er den Klarnamen einer Journalistin, bezeichnete sie als gewaltbereit und hoffte, sie würde ihren Job verlieren. Natürlich meldete er sich auch aus Marrakesch.

Vor Ort live gestreamt haben Thomas Gauer und Nico Mandelbaum von Beweg was! Deutschland. Köln gegen Rechts zufolge behauptet die Gruppe, es fände ein „Genozid am deutschen Volk“ statt und Deutschland würde den „Abschaum Afrikas“ aufnehmen. Ein Mitglied der Gruppe befinde sich in einer „VK“-Gruppe, in welcher auch Informationen zum Beschaffen von Waffen kursieren.

Mit ihnen unterwegs war der Videoblogger Ralph Bühler. Auf Facebook sammelt er Selfies mit AfD-Rechtsaußen wie Björn Höcke und Nicolaus Fest. Beobachter-News zufolge gehört er selbst AfD und JA an, außerdem Hand in Hand und anderen rechten Verbindungen.

Für eingeschenkt.TV meldete sich aus Marrakesch der Youtuber Max Bachmann. 2017 war Bachmann zusammen mit den Alt Right- und Truther-Aktivisten Luke Rudkowski, Lauren Southern und Tim Pool im Rahmen der Hamburger G20-Proteste unterwegs. In seinem Video aus Marrakesch stellte er rechtsextreme AfD-Aussagen und die sachliche Meinung eines neutralen Beobachters als gleichwertig nebeneinander.

Der Plauener Unternehmensberater Dirk Spengler ist wie der bereits erwähnte Rainer Rothfuß Mitglied im „Druschba Global e.V.“ und wie Rothfuß war auch er vor Ort. Gemeinsam mit Rothfuß und Bachmann reiste er im Anschluss zur spanischen Exklave Ceuta. Auf Facebook ist Spengler Mitglied mehrerer verschwörungstheoretischer Gruppen (Beispiel: „KenFM NUR für Systemkritiker“).

Rothfuß, Spengler und Bachmann in Ceuta (Screenshot: Facebook)

 

Udo Voigt für die NPD

Für die NPD-Propaganda stellte sich der Europaabgeordnete Udo Voigt vor die Kamera und wurde bei einem nicht angezeigten Protest vorübergehend festgenommen. Das wurde rasch von NPD- und NPD-nahen Seiten aufgegriffen und skandalisiert. Zitat von Voigts Twitterkanal: „Damit ist der NPD-Politiker der erste, der nach der heutigen Unterzeichnung des Migrationspaktes für Kritik an grenzenloser Zuwanderung bestraft wird.“

Ob Udo Voigt Kontakt zu den anderen rechten Bloggern und Politikern hatte, lässt sich nach aktuellem Stand nicht sagen. In Gewahrsam hat er sie jedenfalls nicht angetroffen: die AfD hat vor ihrer Banneraktion brav beim Sicherheitsdienst nachgefragt.

Udo Voigt (NPD) in Marrakesch (Screenshot: Facebook)

 

Fazit

Der rechte Protesttourismus bildete einen relativ unspektakulären Abschluss der Kampagne gegen den Migrationspakt. Er zeigt aber wieder einmal deutlich, dass die AfD in der Lage ist, einen Skandal aus dem Nichts heraus zu erzeugen und diesen gemeinsam mit anderen Akteuren des rechten bis extrem rechten Spektrums bis zum Ende durchzuspielen.

Von Pegida zur NPD und zurück

Im bürgerlichen Tarnmantel in die Gesellschaft

Seit mehreren Jahren erleben wir, dass ein großer Teil der rechten Szene versucht, nicht mehr als nationalsozialistisch oder rechtsextrem wahrgenommen zu werden. Diese Strategie äußerte sich etwa in den seit 2013 massiv auftretenden rassistischen Bürgerinitiativen, hinter denen nicht selten die NPD steckte, aber auch im Phänomen der Identitären Bewegung und der AfD.

Dabei stoßen sie bei einem nicht zu unterschätzenden Teil der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. Viel zu oft wird vergessen – oder verdrängt – wie verbreitet Antisemitismus, Rassismus und andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit sind. Studien der Anti-Defamation League, der Heinrich Böll Stiftung oder auch der Friedrich Ebert Stiftung haben gezeigt, dass antisemitischen Stereotypen unterschiedlicher Ausprägung neun Prozent bis etwa die Hälfte der Befragten zustimmen. Aussagen gegen Ausländer, etwa dass die Bundesrepublik in einem gefährlichen Maß überfremdet sei, stimmen 26 bis 34 Prozent der Befragten zu. 40% glauben an eine Unterwanderung durch den Islam.

Als Ende 2014/ Anfang 2015 mehrere zehntausend Menschen unter dem Banner von Pegida auf Dresdens Straßen gegangen sind, trafen sehr wahrscheinlich genau diese zwei Milieus aufeinander: Bürger*innen, die sich zwar nicht als Rechtsextreme verstehen, aber diese Einstellungen teilen und  entsprechenden Redebeiträgen zustimmen, aber auch organisierte Rechtsextreme, die gelernt haben, dass sie ohne NPD-Flaggen erfolgreicher sind. Einige Beispiele:

  • Der spätere verurteilte Rechtsterrorist Timo Schulz trat am 22. Dezember 2014 als Ordner auf.
  • Am 14. Mai 2018 zeigte der frühere DVU- und DP-Funktionär Christian Bärthel während einer Pegida-Demonstration ein Plakat, auf dem die Freilassung der inhaftierten Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck gefordert wurde.
  • Die Freie Kameradschaft Dresden, die für zahlreiche zum Teil schwerste Gewalttaten verantwortlich zeichnet, hat sich über Pegida gefunden und gegründet.
  • Bekannte Rechtsextreme der Identitären Bewegung, traten wiederholt mit Redebeiträgen und als Demonstrationsteilnehmende in Dresden auf.
  • Mitglieder der vom Verfassungsschutz beobachteten Anti-Antifa Dresden traten wiederholt, zum Teil uniformiert bei Pegida in Erscheinung. Darunter mit Bernhard Wedlich ein damaliger AfD-Funktionär (heute ADPM).
  • Von Siegfried Däbritz aus dem Pegida-Führungskreis ist bekannt, dass er sich vorher bei HoGeSa engagiert hat.

 

NPD-Aktivistin bei Pegida in der ersten Reihe

Eine weitere Person ist allerdings weniger bekannt. Wer von der Pegida-Bühne auf die nach bald vier Jahren noch etwa 1000 bis 2000 Demonstrierenden blickt, dem fällt eine schwarze Fahne mit der Aufschrift: „Roßwein wehrt sich gegen Politikversagen“ auf. Zu beinahe jeder Pegida-Demo steht Heidrun Feller aus Roßwein mit dieser Flagge in der ersten Reihe.

Heidrun Feller mit Roßwein-Flagge und -Shirt am 17.09.2018 in der ersten Reihe bei Pegida (rechter Bildrand; Screenshot: Facebook)

 

Pegida-Fronttransparent mit dem Hakenkreuz im Mülleimer, 17.09.2018. Dahinter: NPD-Aktivistin Heidrun Feller (Screenshot: Facebook)

Die 56-jährige Feller geht aber nicht nur regelmäßig zu Pegida, sie beteiligt sich auch an NPD-Aktionen im Rahmen der „Schutzzonen“- und der Kampagne der JN „Jugend packt an“.

JN-Kampagne „Jugend packt an“: Die gealterte Heidrun Feller mit Döbelner NPD-Stadtrat Stefan Trautmann (Screenshot: Facebook)

 

NPD-Kampagne „Schutzzonen“: Inszenierung einer NPD-Bürgerwehr in Döbeln (Screenshot: Facebook)

Dabei zeigt sie keine Scheu, gemeinsam mit dem Döbelner NPD-Stadtrat Stefan Trautmann vor die Kamera zu treten. Trautmann hat eine lange Liste an Vorstrafen vorzuweisen: Hausfriedensbruch, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Wohnungseinbruchsdiebstahl, versuchter und vollendeter Diebstahl, Fahren ohne Fahrerlaubnis, vorsätzliche Körperverletzung, unerlaubter Waffenbesitz und Sachbeschädigung.

Am 1. Mai 2015 gehörte Trautmann zu einer Gruppe von Neonazis, die in Weimar eine DGB-Kundgebung überfallen und vier Menschen verletzt haben. Gegen die Neonazis wurden Ermittlungen wegen Landfriedensbruchs aufgenommen.

Aber auch abseits regionaler NPD-Aktionen nimmt Heidrun Feller am rechtsextremen Szeneleben teil. Während des Nazi-Trauermarschs am 10. Februar 2018 in Dresden lief sie am Banner des Freundeskreis JN Borna, über das wie gewohnt eine völlig verzerrte Darstellung der Bombardierung Dresdens transportiert wurde, die absolut überzogene Zahl der Opfer inklusive.

Zum Geburtstag Adolf Hitlers gehörte sie wie viele weitere Neonazis zu den Teilnehmenden des „Schild und Schwert“-Festivals in Ostritz.

Heidrun Feller gibt 2016 an, während eines Dynamo Dresden Spiels als Sanitäterin eingesetzt zu sein. (Screenshot: Facebook)

Wenn sie gerade nicht auf Nazifestivals geht, engagiert sich Feller beim DRK und fährt als ehrenamtliche Helferin zu Großveranstaltungen, etwa zu Konzerten oder Sportveranstaltungen nach Dresden und Leipzig.

Roßwein wehrt sich – aber nicht gegen Nazis

Wie erwähnt, tritt die NPD-Aktivistin bei Pegida mit T-Shirt und Fahne der Gruppierung „Roßwein wehrt sich“ in Erscheinung. „Roßwein wehrt sich“ ist eine von vielen sogenannten „Bürgerinitiativen“, die sich explizit gegen die lokale Unterbringung geflüchteter Menschen einsetzen. 2015 wurden Demonstrationen mit Teilnehmerzahlen im zweistelligen Bereich durchgeführt, die zum Teil nah an einer Geflüchtetenunterkunft vorbeiführten. Sprecher Jens Tamke sagte damals: „Wir sind keine Rechten, wir sind keine Linken, sondern ganz normale Bürger.“

Dieses Auftreten brachte ihm und seinen Mitstreitern Sven Richter, Jörg Reinsch, Erik Grämer und Jean Laschtowitz aber eine Eintrittskarte zu Runden Tischen unter anderem mit Bürgermeister, Pfarrer und Vertretern des lokalen Willkommensbündnisses ein.

Neben der von der Gruppe von Anfang an ausgehenden rassistischen Stimmungsmache, die sich natürlich beim Publikum verfängt – auf der Facebookseite wünschte man Ausländer in Gaskammern – ist die anfängliche bürgerliche Maske offenem rechtsextremem Aktivismus gewichen. An der Vereinsgründung der Neonazi-Gruppierung „Wir lieben Sachsen/Thügida“ war neben Frank Rohleder (NPD), Alexander Kurth (damals Die Rechte, heute Republikaner), Uta Nürnberger (AfD) und weiteren bekannten Akteuren der rechtsextremen Szene auch ein Vertreter von „Roßwein wehrt sich“ beteiligt: Mike Schade.

„Roßwein wehrt sich“ bekennt sich zur „Schutzzone“-Inszenierung in Döbeln, an der der NPD-Stadtrat Stefan Trautmann beteiligt war. (Screenshot: Facebook)

 

Reichsbürger und rechter Aktivist Curd Schumacher im „Roßwein wehrt sich“-T-Shirt (Screenshot: Facebook)

Nicht zuletzt bekennt sich „Roßwein wehrt sich“ zur Beteiligung an der NPD-Kampagne „Schutzzone“ in Döbeln, an der wie bereits erwähnt der NPD-Stadtrat Stefan Trautmann beteiligt war.

 

Fazit: Es ist nicht alles besorgt, was bürgerlich wirkt

Wieder einmal muss konstatiert werden, dass nicht nur, aber gerade auch in Sachsen extrem rechte Akteure allzu schnell unterschätzt werden. Es scheint als habe man immer noch nichts aus der spätestens seit 2013 erfolgreichen NPD-Strategie der Bürgerinitiativen gelernt. Stattdessen wird von „besorgten Bürgern“ gesprochen, denen man zuhören müsse. Dass Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zum Teil weit verbreitet sind, wird dabei gern ignoriert. Und nicht selten entpuppen sich diese angeblich nicht linken, nicht rechten, sondern „ganz normalen“ Bürger*innen als extrem rechte Aktivist*innen, die zusammen mit vorbestraften Gewalttätern agieren.

 

Ergänzung am 06.04.2019

Nachdem die NPD und die Leipziger Volkszeitung ihren vollständigen Namen verwendet haben, wurde der Artikel aktualisiert. Anlass war Fellers Wahlvorschlag für die NPD für den Stadtrat in Roßwein, mit dem sie aber scheiterte. Trotz Infoständen hat sie nur 34 von notwendigen 60 Unterstützungsunterschriften mobilisieren können.

Der unwirksame Unvereinbarkeitsbeschluss der AfD

Um sich von so genannten „extremistischen“ Positionen abzugrenzen, hat sich die AfD einen Unvereinbarkeitsbeschluss in ihre Bundessatzung geschrieben. Damit soll, so die eigene Darstellung, eine Mitgliedschaft von Vertretern „extremistischer“ Organisationen in der Partei verhindert werden – es sei denn, zwei Drittel des jeweiligen Landesvorstands stimmen für die Mitgliedschaft.

Im Klartext: Der Unvereinbarkeitsbeschluss verhindert nicht die Zusammenarbeit mit völkisch-rechtsextremen oder neonazistischen Organisationen! Eine weitere Radikalisierung der Bundespartei ist derzeit sogar abzusehen.

Wie verflochten die AfD mit Organisationen ist, die auf ihrer Unvereinbarkeitsliste stehen, soll die folgende Auflistung zeigen. Darüber hinaus ist bei einem Großteil der AfD-Funktionäre eine ideologische Nähe sowie Sympathie zu den Identitären festzustellen.

Verflechtung mit auf der Unvereinbarkeitsliste stehenden Organisationen

Uta Nürnberger gehört zum Geflecht der neonazistischen Initiativen um Thügida & Wir lieben Sachsen. Trotz anderslautender Stimmen aus der AfD tritt sie immer wieder als Vertreterin dieser Partei auf, zuletzt am 10.12.2017 in Zwickau. 2016 besuchte sie das Sommerfest der NPD, ein Foto zeigt sie in trauter Eintracht mit Karl Richter und Udo Voigt. Auf ihrem Facebookprofil befindet sich unter anderem ein Bild vom AfD-Bundestagswahlkampf. Am 20. August veröffentlichte Nürnberger ein Foto, das sie zusammen mit dem AfD-Fraktionschef im brandenburgischen Landtag zeigt: Andreas Kalbitz.

Der Beisitzer im AfD-Bundesvorstand Andreas Kalbitz selbst beschäftigt den Identitären Kai Laubach als Grundsatzreferenten seiner Landtagsfraktion. Laubach vertreibt unter dem Label „Culture Élitaire“ unter anderem Kleidung von „Deutsches Gewand“. Außerdem ist er Mitglied der Jungen Alternative. Kalbitz selbst hatte lange Zeit einen Vorstandsposten in einem neonazistischen Verein inne.

Alexander Salomon, früheres NPD-Mitglied, saß schon 2013 als Beisitzer im Landesvorstand der AfD Brandenburg. Aktuell wird er als Beisitzer im Landesvorstand der Jungen Alternative Brandenburg geführt. Alexander Gauland hat mit Salomon kein Problem.

Andreas-Dieter Iloff ist der Vorsitzende seines AfD-Kreisverbands Diepholz. Außerdem wird er wegen „rechtsextremistische[r] Tätigkeiten“ vom Verfassungsschutz beobachtet. „Adrich“ Iloff ist seit den 90ern in der Naziszene aktiv, auf seinem „Auehof“ veranstaltete er völkische Feste. Im Jahr 2000 attestierte ihm der Verfassungsschutz Kontakte zu NPD, DVU und REP. Laut Andrea Röpke gilt das immer noch: „Er ist sehr gut vernetzt, hat Kontakt zum Chef der NPD in Thüringen.“

Jannik Brämer war eine Zeit lang Schatzmeister der Jungen Alternative Berlin. Weil er bei seiner Flucht von einer Aktion der Identitären Bewegung beinahe einen Zivilpolizisten umgefahren hätte, wurde er wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung zur Fahndung ausgeschrieben. Damals hieß es, Brämer sei aus der JA Berlin geflogen. Ende November wurde er in den Landesvorstand gewählt, was die Mutterpartei veranlasste, Berlins gesamten JA-Vorstand abzusetzen. Brämer betreibt das identitäre Label „Cuneus Culture“.

An dieser Aktion beteiligten sich weitere Mitglieder der Jungen Alternative. Ein Artikel in der Zeit benennt Albert G. und Kai L. – bei ersterem dürfte es sich um Albert Glas handeln, dem damaligen Mitarbeiter von Holger Arppe. Eine Doppelmitgliedschaft bei Identitären und in der JA ist auch bei Ina Alles, Franz Dusatko festzustellen. Auch Nils Grunemann sitzt nicht nur im Vorstand der JA Marburg-Biedenkopf, sondern gilt zudem als Mitbegründer der Ortsgruppe der Identitären in Berlin. 2013 trat er als Bundessprecher der deutschen Identitären auf. Dazu kommen zahlreiche weitere personelle Überschneidungen und Kontakte, etwa über das Burschenschaftsumfeld. Man kann also davon ausgehen, dass eine öffentliche Abgrenzung lediglich der Imagepflege dient.

Yannick Noé gibt mit Arcadi ein Magazin heraus, in dem neben AfD- und JA-Mitgliedern (Frederic Höfer, Reimond Hoffmann, Dubravko Mandic) auch Identitäre, ehemalige JN-Mitglieder und einschlägige Neonazi-Labels Artikel schreiben und Werbung schalten dürfen. Im Magazin wird unter anderem der spanische Faschismus verherrlicht.

Mit Patrick Harr beschäftigt der AfD-Fraktionschef in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, einen ehemaligen Funktionär der verbotenen neonazistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ). Der AfD-Abgeordnete sieht darin kein Problem. Am 7. Mai 2015 nahm Poggenburg als Referent an einer Compact-Konferenz teil, ebenso wie der bekannte Rechtsextreme Christian Bärthel, der laut taz aus dem NPD- und Reichsbürgerumfeld kommt.

Poggenburgs Fraktionskollege Hans-Thomas Tillschneider unterhält ein Büro im Haus der Identitären-Ortsgruppe Kontrakultur Halle. Deren Mitglieder agieren aggressiv und gewalttätig.

John Hoewer, Referent für Inneres der AfD-Fraktion im Landtag von Sachsen-Anhalt, nahm am 21. und 22. April 2017 an einer Konferenz europäischer Faschisten in Rom teil, die von der italienischen Casa Pound veranstaltet wurde. Als Gäste ebenfalls anwesend waren Vertreter der griechischen Neonazi-Partei Goldene Morgenröte und aus Deutschland Mitglieder der Identitären und von Einprozent.

Steven Hanczyk ist nicht nur Identitärer und ehemaliger JN-Aktivist, sondern tritt auch als Vertreter der AfD in Erscheinung.

Das frühere NPD-Mitglied Stefan Träger arbeitet als Wahlkreismitarbeiter für den AfD-Abgeordneten Jan Wenzel Schmidt. Die CDU, bei der er Mitglied ist, will ihn loswerden.

Als „Grafiker & Mediengestalter“ für die Thüringer AfD-Fraktion ist der Neonazi Jirka Buder tätig. Früher produzierte er Layouts für bekannte rechtsextreme Musiker, etwa Frank Rennicke. In den 90ern war er in den Naziorganisationen „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP), „Wiking Jugend“ (WJ) sowie „Nationalistische Front“ (NF) aktiv.

Höckes Assistent Torben Braga ist Bursche der extrem rechten Burschenschaft „Germania Marburg“ – ebenso wie mehrere Neonazis, darunter der JN-Aktivist Tobias Sauer.

Julia Schwarze aus Meerane ist Rednerin für das neonazistische „Thügida“-Netzwerk. Am 18. September 2016 sprach sie auf einer Bühne der AfD, gemeinsam mit den AfD-Landtagsabgeordneten Daniel Roi und Hannes Loth.

Der AfD-Politiker Lutz Urbanczyk nahm am 9. September 2017 als Redner an einer neonazistischen Demonstration teil. Dort rief er die SA-Losung: „Deutschland erwache!“ Auch sonst scheint Urbanczyk keine Berührungsängste mit Neonazis zu haben.

Der Neonazi Marcel Grauf arbeitet für die AfD-Landtagsabgeordneten Heiner Merz und Christina Baum. Grauf war früher JN-Funktionär, noch im Frühjahr 2016 hat er für die NPD Wahlkampf gemacht. Auf Facebook teilt er neonazistische Inhalte.

Markus Frohnmaier, Bundesvorsitzender der Jungen Alternative und Mitglied im Landesvorstand der AfD Baden-Württemberg, engagierte sich laut Frontal 21 früher bei der extrem rechten „German Defence League“.

Die AfD-Abgeordnete im Thüringer Landtag, Corinna Herold, pflegt Kontakt zu neonazistischen Bürgerwehren. Ihr AfD-Landtagskollege Thomas Rudy teilt Inhalte der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“. Auch Lars Steinkes Verbindungen zu Neonazis sind dokumentiert.

Thüringens AfD-Landesvorsitzender Bernd „Björn“ Höcke und seine Verbindungen zum NPD-Bundesvize Thorsten Heise dürften bekannt sein. Trotzdem sollen auch sie nicht unerwähnt bleiben.

 

Diese Auflistung ist keineswegs komplett. Doch sollte sie, abseits der zumeist einzeln kommunizierten Fälle, einen Eindruck vom Umfang der rechtsextremen Verflechtungen in der AfD vermitteln.

Für Rückfragen oder weiterführende Informationen steht folgende Mailadresse zur Verfügung: fux3nrot[ät]riseup[dot]net

Delegitimierung der Demokratie durch Faschisten und mögliche Gegenstrategien

Wahlbeobachtung für, aber auch gegen die Demokratie

Wahlbeobachtung ist ein legitimes Mittel zur Festigung der Demokratie: Jeder, ungeachtet seines Alters, Geschlechts, seiner Nationalität oder sozialen Stellung, kann sich mit eigenen Augen von der Richtigkeit und damit auch der Rechtmäßigkeit der Wahl überzeugen. Problematisch wird es, wenn das Mittel der Demokratie gegen sie selbst eingesetzt wird.

Denn die faschistisch durchsetzte Gruppierung „Ein Prozent für unser Land“ ruft zur großangelegten Beobachtung der Bundestagswahl durch ihre Anhänger auf. Man sieht sich als Opfer eines von oben gesteuerten „Wahlbetrugs“. Dem zugrunde liegt die bekannte Theorie: Die Mehrheit der Bürger unterstütze eigentlich rechte Parteien und würde unterdrückt, damit „die da oben“ weiterregieren könnten. Anders ausgedrückt: „Einprozent“ stellt mit seiner „Wahlbeobachter“-Kampagne die Demokratie in der BRD in Frage. Letztendlich stellt es natürlich auch eine gewisse Art der Einschüchterung dar, wenn Faschisten eine demokratische Wahl überwachen.

Groß: Michael Schäfer erklärt seinen Zuhörern, wie Wahlbeobachtung funktioniert. Klein: Vor vier Jahren war Schäfer Mitglied der verfassungsfeindlichen NPD, von 2007 bis 2012 Bundesvorsitzender der NPD-Jugendorganisation JN.

Was können wir tun?

Es steht zu befürchten, dass Einprozent, aber auch die AfD kleinste Unregelmäßigkeiten, wie sie bei jeder Wahl auftreten, propagandistisch ausschlachten werden. Erscheint es daher einerseits sinnvoll, diesen Personen die Beobachtung der Wahl zu erschweren, untergräbt man andererseits selbst dieses demokratische Mittel – eine Abwägung, die jeder Mensch für sich selbst treffen muss. Je nach Ergebnis sollen hier Möglichkeiten aufgezeigt werden, wie mit den Aktivitäten von „Einprozent“ umgegangen werden kann.

Auch Wahlbeobachter müssen sich in einem vorgegebenen Rahmen bewegen. Laut §54 Bundeswahlordnung und §31 Bundeswahlgesetz darf die Wahl nicht gestört werden – wer stört, den kann die Wahlleiter*in aus dem Wahlraum verweisen. Das gilt auch für das von Einprozent geschickte Klientel, das bekanntermaßen gereizt auf gewisse Gesprächsinhalte reagiert. Erfahrungsgemäß fällt deren Beherrschung recht schnell.

Wahlbeobachter dürfen Wähler innerhalb eines bestimmten Bereichs um das Wahllokal nicht ansprechen, weil dies als Beeinflussung interpretiert wird – auch nach der Stimmabgabe! Ähnlich verhält es sich mit dem Zeigen von Bildern und Videos sowie dem Tragen von Kleidung und Ansteckern mit politischem Aufdruck. Fällt so etwas am Einprozent-Klientel auf, kann der zuständige Wahlleiter darauf aufmerksam gemacht werden.

Ähnliches gilt für den Fall, dass das Einprozent-Klientel Wähler fotografiert. Damit wird das Recht am eigenen Bild verletzt. Das Fotografieren von Wahlhelfern stellt wohl eine Grauzone dar.

Schlusswort

Zum Schluss bleibt zu betonen: Mit diesem Text soll keineswegs die Wahlbeobachtung an sich angegriffen werden! Sie stellt ein fähiges Werkzeug zur Überwachung demokratischer Prozesse dar und sollte daher ausgiebig genutzt werden. Ob und inwieweit aber akzeptiert werden muss, wenn sie gegen die Demokratie selbst gerichtet wird, muss jeder Mensch für sich selbst entscheiden.

Wer sich näher informieren möchte, dem sei die verlinkte Seite des CCC Berlin empfohlen.

 

Bilder:

  • Screenshot eines Videos der Facebookseite „Ein Prozent für unser Land“
  • Screenshot eines Beitrags der Facebookseite „NPD-Kreisverband Dresden“